Im Normalfall weiß unser Körper sehr genau, was ihm guttut und sendet uns deutliche Signale, wenn wir ihn und uns überfordern. Doch das Ignorieren dieser Signale haben wir uns mit den Jahren antrainiert. Schon zur KiTa geht es nicht, wenn das Kind ausgeschlafen hat, sondern wenn die Eltern zur Arbeit müssen. In der Schule geht es weiter: Sport hat man nach Stundenplan und nicht nach dem eigenen Bewegungsdrang. Was in der Kindheit anfängt, setzt sich im Studium und Berufsleben fort. Nicht nur die „äußeren Umstände“ springen mit unserer Belastungsgrenze Seilchen, auch wir selber überfordern uns regelmäßig mit zu vielen Aufgaben, bekommen zu wenig Schlaf oder bewegen uns nicht ausreichend. Die Signale des Körpers wie brennende Augen, unregelmäßigen Puls oder erhöhte Herzfrequenz ignorieren wir gekonnt. Erst wirklich aufmerksamkeitsstarke Signale gelangen in unser Bewusstsein. Hoffentlich bevor es zu spät ist.

„Selbsterkenntnis ist der erste Schritt zu mehr Wohlbefinden“ formuliert es Nina Kirst in der Erstveröffentlichung unserer Idee anlässlich des PageConnect Programmheftes „Künstliche Intelligenz und die Zukunft von Design“. Auch sie stellt fest: „Im hektischen Alltag kommt die bewusste Selbstbetrachtung oft zu kurz.“

Das Besondere an unserem Ansatz: Wir konzentrierten uns nicht auf das Design der Wearables sondern auf die subtilen Hinweise Cross-Device und die Verknüpfung bestehender Dienste miteinander.

Von der iWatch bis zum smarten T-Shirt wird zukünftig genug Sensorik am menschlichen Körper angebracht sein, um eine Vielzahl von Daten zu erheben, die Aufschluss über unser Wohlbefinden ermöglichen. Zudem sind wir ständig von Kameras in jedem Laptop und Telefon sowie geräuschempfindlichen Geräten wie Alexa oder Google umgeben. Das Feld schien uns bereits ausreichend beackert, wobei wir beanstandeten, dass die reine Datenerfassung noch keinen Mehrwert für den Menschen hat.

Interessanter als die Betrachtung der Aufzeichnungsgeräte war es für uns, die Mechanik hinter der Sensorik zu erdenken und die Wirkmächtigkeit auf das menschliche Individuum zu betrachten. Unser Geschäftsführer und Inhaber von Indeed, Karel Golta, wünscht sich in diesem Zusammenhang häufig eine „Augmented Intelligence, die unsere menschlichen Fähigkeiten verstärkt – ohne Bevormundung“.

Unter dieser Prämisse erdachten wir die Cross-Device-App »Mood Index«. Sie regt dazu an, innezuhalten und sich der Selbstreflexion zu widmen. Sie erfasst die aktuelle Stimmung des Nutzers, spiegelt sie ihm wider und erinnert den User sanft daran, auf sich selbst zu achten. Dafür analysiert sie mittels Bildschirm- und Handykamera die Mimik und Gestik des Nutzers, seine Stimme, Gesundheits- und Geodaten und aggregiert diese mithilfe von künstlicher Intelligenz zu einem Gesamtbild. Gibt also den »Mood Index« aus.

Die App lernt ihren Nutzer mit der Zeit immer besser kennen und ist so in der Lage, personalisiertes Feedback zu geben und Aktivitäten vorzuschlagen, die seine Stimmung heben könnten.

Uns war bei diesem Konzept wichtig, dass die App nicht aufdringlich oder bevormundend ist. Deshalb führt sie dem Nutzer seine Stimmung ganz dezent vor Augen – in Form eines kleinen personalisierten Avatars – zum Beispiel am unteren Rand des Computerbildschirms. Verschlechtert sich die Stimmung drastisch – ermittelt zum Beispiel über einen steigenden Puls, fahrige Bewegungen oder eine zittrige Stimme –, meldet sich die Anwendung aktiv und warnt den Nutzer per Vibration über die Smartwatch. Der Alarm impliziert: »Was ist los? Kannst du etwas tun, damit es dir besser geht?«

Bei der Gestaltung des Avatars war für mich klar, dass es kein amorphes Wesen sein darf. Ein weinender Teddy oder eine lachende Erdbeere würden den Sinn und die Ernsthaftigkeit der Selbstbeobachtung konterkarieren. Gleichzeitig durfte es auch keine zu realistische Darstellung bzw. das fotorealistische Spiegelbild der Person sein, damit nicht persönlich empfundene Makel vom Zweck der positiven Selbstbetrachtung ablenken. Ein comichaftes Mini-Me schien mir da eine ideale Option. Ausreichend personalisiert, um als Teil des Selbst empfunden zu werden – ausreichend abstrakt um von den darzustellenden Emotionen möglichst wenig abzulenken.

Johanna

Auf aktive Nachfrage des Users via Chat gibt die App Tipps, mit welchen natürlichen Maßnahmen und Ritualen er seine Stimmung aufhellen könnte. Basierend auf seiner Stimmungshistorie und der aktuellen Situation schlägt die App dem Nutzer beispielsweise vor, mit einem Freund laufen zu gehen – nach dem Motto: »Das hast du lange nicht gemacht, aber dabei ging es dir ziemlich gut!«

Die zwischenmenschliche Interaktion wird dabei per default bevorzugt. Schließlich sind wir soziale Wesen und der Austausch mit unserem Gegenüber ist essentiell für unser psychisches Wohlbefinden.

Wir glauben, dass eine solche Nutzung KI-gestützter Datenerhebung und -analyse zum bewussteren Umgang mit uns selbst anregen könnte und so langfristig die geistig-körperliche Gesundheit und das Wohlbefinden fördert.

Wichtig war uns bei der Ideenfindung, dass es nicht die einzige Lösung für das schwindende Selbstgefühl, die gering ausgeprägte Selbstwahrnehmung sein kann und darf. Niemandem ist damit geholfen, wenn er zwar weiß, was bei ihm oder ihr Stress auslöst, aber die monetären Mittel oder die gesellschaftliche Akzeptanz fehlt, um Abhilfe zu schaffen.

Die App kann nur eine Unterstützung sein. Eine Hilfestellung für den Menschen im Spätkapitalismus, der viel Energie darauf verwendet hat zu funktionieren statt zu fühlen und jetzt feststellt, dass ihm etwas abhanden gekommen ist.

Mit Spannung beobachten wir deshalb auch Entwicklungen wie Mindstrong, einem von drei Ärzten gegründeten Startup. Sie machen die Zeit, die Menschen an ihrem Smart-Phone verbringen, und die sich daraus ergebenden Daten für die Früh-Diagnose von Depression fruchtbar. Bislang haben sie trotz Datenschutz- und weiterer ethischer Bedenken ihre App erfolgreich im Einsatz und erste signifikante Ergebnisse erzielt.

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