80% des CO2-Fußabdrucks (der Emissionen) eines Produkts werden durch Entscheidungen beeinflusst, die während der Designphase getroffen werden. Diese Behauptung wurde über mehrere Jahrzehnte wiederholt und ist heute allgemein anerkannt. Als Innovator (sprich: Produkt/Service-Entwickler, Designer oder Ingenieur) hört man das immer wieder von den hochrangigen Entscheidungsträgern und wird so Teil der teils hitzigen Diskussion. Wenn die Frage nach dem Fußabdruck früh im Prozess auf dem Tisch landet, fühlen wir uns vielleicht ratlos. Wir befinden uns zwischen konzeptionellen Ideen und Skizzen, denen die notwendigen Details fehlen, um eine Lebenszyklusanalyse (LCA) durchzuführen. Dennoch möchte man/frau einen Ausblick auf mögliche Umweltauswirkungen haben. Wir können Entscheidungen einfach aufgrund von Vermutungen treffen. Doch uns fehlen bei Innovationen das historische Wissen und die Daten, um diese Vermutungen zu untermauern. Um in solchen Situationen reine Lippenbekenntnisse zu vermeiden, brauchen wir Metriken wie den CO2-Fußabdruck (z. B. kgCO2e), um datenbasiert Entscheidungen treffen zu können.
Hier hilft eine optimierte Lebenszyklusanalyse (sLCA).

Zeige mir eine Beispielrechnung.

Wer trifft für wen welche Art von Entscheidungen mit dem sLCA?

Die sLCA ist ein Ansatz zur Berechnung des CO2-Fußabdrucks eines Produkts oder einer Dienstleistung auf der Grundlage aktivitätsbasierter Berechnungen. Dabei werden Branchendurchschnitte und Annahmen verwendet, die im Gegensatz zu den tatsächlichen Daten in traditionellen Ökobilanzen stehen. Durch die Schaffung cleverer Systemgrenzen und fundierter Annahmen zu Eingabedaten können wir den CO2-Fußabdruck von Material, Produktion, Vertrieb, Nutzung und End-of-Life-Phasen berechnen. Die sLCA ermöglicht es Produktentwicklern, Hotspots in ihren Umweltauswirkungen zu identifizieren, Konzepte zu bewerten, Lieferanten (Standorte, Transportmittel usw.) einzuordnen und Story Telling zu betreiben, um so eine bessere Nachhaltigkeits- und Designstrategie zu informieren.

Im Vergleich zur traditionellen LCA erfüllt die sLCA die Anforderungen des unscharfen Frontends eines Designprozesses, um konzeptionelle Entscheidungen zu untersuchen und zu informieren. Sie liefert schnellere Ergebnisse (in weniger Zeit und zu geringeren Kosten) und kann aufgrund der Verwendung von Branchendurchschnitten mit undefinierten Details von Konzepten arbeiten. Am wichtigsten ist jedoch, dass die sLCA den richtigen Personen – den strategischen Entscheidungsträgern (Investoren, Produktmanager, Geschäftsentwickler, F&E, Marketing) – den CO2-Fußabdruck als Ankermetrik zur richtigen Zeit – nämlich frühzeitig im Designprozess – zur Verfügung stellt. Im Laufe des Designprozesses verringert sich der Grenznutzen von sLCA enorm, da sich der Zweck des CO2-Fußabdrucks von strategischen Entscheidungen hin zu Berichterstattung und Zertifizierung ändert. Mit zunehmendem Reifegrad eines Projektes ist eine herkömmliche LCA besser geeignet.

Blick hinter die Kulissen

Wenn wir unsere Schreibtische in der frühen Phase des Designprozesses betrachten, haben wir Post-it-Ideen, Serviettenskizzen, Referenzprodukte, vielleicht eine Blaupause der Product-Journey. Der sLCA-Prozess erfordert primäre Eingabedaten wie Material, Gewicht/Volumen, Entfernungen, Produktionsstandort(e) usw. Diese fließen in die aktivitätsbasierten Gleichungen ein, die die Eingaben mit den jeweiligen Kohlenstoffintensitäten (Branchendurchschnittswerte aus der Datenbank) multiplizieren, um so den CO2-Fußabdruck (in eq. kgCO2-Emissionen) zu erhalten.

Es obliegt dem Designer oder der Designerin, sprich: der verantwortlichen Person, den fundiertesten Wert basierend auf dem, was auf dem Tisch liegt, einzugeben. Da der Prozess flexibel und schnell ist, hat der Designer die Freiheit, mehrere Optionen zu erkunden und verschiedene „Was-wäre-wenn“-Fragen zu testen. Der oder die Entscheidungsträger:in kann die Ergebnisse untersuchen, indem er Materialien, Transportmittel, Produktionsstandort usw. ändert. Dies kann sich auch auf komplexe, zirkuläre Product-Journey erstrecken: Was passiert zum Beispiel, wenn das Produkt zurückgegeben, geteilt oder repariert wird. Was wäre, wenn wir eine Kiste aus recyceltem Karton verwenden, die nur eine Fahrt hält, anstelle einer Kiste aus recyceltem Plastik, die 10.000 Fahrten übersteht. Die Ergebnisse sind oft überraschend.

Design übernimmt Verantwortung

Ich glaube, der Wert für uns als Designer und Designerin liegt darin, diese Berechnungen öfter anzustellen, die Nuancen zu erkennen, Muster zu finden und so eine gut informierte Haltung aufzubauen. Viele öffentliche Diskussionen und Entscheidungen in der Geschäftswelt sind narrativ getrieben, was ohne einen Datenpunkt irreführend sein kann. Zum Beispiel wird Plastik dämonisiert; Bei Wiederverwendung könnte es jedoch die richtige ökologische und ökonomische Lösung sein. Designer sind gut an der Schnittstelle platziert, wo sie die Erzählung beeinflussen und gleichzeitig eine solide wirkungsvolle Lösung entwickeln können. Die sLCA kann ein Werkzeug für Designer sein, um Zahlen im Spiel zu haben (wir sagen gerne, Fleisch am Knochen zu haben). Es bietet Design-Verantwortlichen die Möglichkeit, am Entscheidungstisch zu kommunizieren und sich neben diversen Disziplinen aus Wirtschaft oder Technik zu behaupten.

Wir erleben Hitzewellen, Überschwemmungen und Waldbrände. Sobald wir die Zerstörung verstehen, die um uns herum stattfindet, und wir die Umweltauswirkungen unserer Designentscheidungen in unserer Arbeit nicht berücksichtigen, werden wir in eine Strategie der Tragödie verwickelt. Oder wir können unseren Ausweg entwerfen (Anm. des Autors: sehr frei nach Michael Braungart, William McDonough formuliert.)

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