Als HRlerin habe ich inzwischen ein gespaltetes Verhältnis zum Begriff „New Work“. Es gibt den ursprünglichen New Work Gedanken als Sozialutopie, es gibt sehr greifbare und bekannte New Work Elemente wie flexible Arbeitszeiten und -orte und es gibt zahllose Konferenzen und Bühnenveranstaltungen, bei denen die hipsten Unternehmen mit Awards ausgezeichnet werden. New Work als Gegensatz zu Old Work. Die Frage ist: cool oder uncool. Ein ungeschriebenes Gesetz sieht Turnschuhe als einzig richtiges Schuhwerk auf New Work Veranstaltungen vor, bei denen man sich zu „agile“ und „remote work“ austauscht. Klingt alles super. Doch eigentlich geht es um so viel mehr. Es geht um die Emanzipation des arbeitenden Menschen. Und es geht letzten Endes auch darum, dass dadurch die Wirtschaft verändert werden kann.

VOM AUSFÜHRENDEN ZU INTERAKTIVER ZUSAMMENARBEIT

Hinter der schillernden Buzzword-Fassade wird oft übersehen: New Work lässt sich nicht implementieren, sondern ist eine Reise und der Weg ist oft steinig. Aber es ist eine Chance, aus der in nahezu allen Wirtschaftsbereichen über Jahre hinweg als Normalität empfundenen Unmündigkeit zu entkommen. In vielen Konzernen – und vielleicht nicht nur da – wird auch heute noch wie selbstverständlich von der „Arbeitsebene“ und der „Entscheiderebene“ gesprochen wurde. Dabei wird offenbar übersehen, dass Mitarbeiter heutzutage keine Befehlsausüber mehr sein sollten, sondern seit der industriellen Revolution einiges passiert ist.

Die Wettbewerbsvorteile entstehen heute nicht mehr durch Menschen, die möglichst schnell Arbeiten ausführen und Knöpfchen drücken (das können Computer und Roboter sowieso besser und schneller), sondern in der Zusammenarbeit von Menschen, durch das Zusammenkommen von Ideen und Informationen. Bestenfalls werden Mitarbeiter schließlich eingestellt, weil sie das, was sie machen, besser können als andere. Weil sie die Experten für ein Thema sind. Konsequenterweise sollten diese Experten auch Entscheidungen treffen können und dürfen, die ihren Kompetenzbereich betreffen – also Verantwortung übernehmen. Anders als durch die Verantwortungsübernahme durch jeden Einzelnen kann Führung heute auch nur noch schwer gelebt werden. Denn Führung und Entscheidungen sind heutzutage in Bezug auf den Menschen, die Aufgabe und Innovationen notwendig. Wenn all das von einer Führungskraft erledigt werden soll, die für ein ganzes Team entscheidet, müsste sie allwissend sein und übernatürliche Fähigkeiten besitzen.

STARTE MIT DIR SELBST

New Work bedeutet auch Anstrengung, denn Eigenverantwortung und Freiheit sind Prinzipien, die die meisten von uns im Arbeitskontext in der vollen Bedeutung verlernt haben. Wir stehen uns selbst im Weg, weisen uns selbst in die Schranken und müssen erst wieder lernen, beides wahrzunehmen. Das ist nicht nur ein Training während des Arbeitens, sondern Arbeit an der eigenen Persönlichkeit. Es geht darum, Fehler zu machen, zu reflektieren, zu kommunizieren und über die eigene Kommunikation zu kommunizieren. Dieser Prozess kann nur gelingen, wenn er in der gesamten Organisation angestoßen und wirklich gewollt wird.‍

WIEDER MENSCH SEIN

Gleichzeitig hat New Work auch etwas Befreiendes, denn es geht im Kern ebenfalls darum, dass der Mensch in seinem ganzen Selbst auf der Arbeit sein darf. Ich muss keine Rolle spielen oder einen Teil meiner Persönlichkeit und dessen, was ich „wirklich, wirklich tun will“ verstecken. Denn New Work heißt ebenfalls, Mitarbeiter nach ihren Stärken und Bedürfnissen und dem, was sie antreibt, einzusetzen. Der Mensch wird wieder als Ganzes gesehen. Dieser Zustand dürfte ähnliche Gefühle auslösen wie das Erlebnis, wenn der Manager im Corona Home Office-Videocall zwischendurch von seinem kleinen Sohn ein Butterbrot serviert bekommt: „Huch, das ist ja auch ein Mensch!“ Wenn dieser Mensch wieder in den Mittelpunkt rückt und auch die anderen Menschen in unserem Arbeitsalltag, wie Kunden oder Lieferanten, wieder mehr als solche wahrgenommen werden, wird sich Stück für Stück auch die gesamte Wirtschaft verändern. Und damit ist nicht gemeint, den Menschen als egoistisches Wesen im Mittelpunkt der Welt zu sehen. Denn ein verantwortliches Handeln schließt auch die soziale Verantwortung mit ein: für bestimmte Werte und auch für ein nachhaltiges Wirtschaften.

Zusammenfassend kann ich also sagen, dass das Tragen von Turnschuhen und der Besuch von Veranstaltungen zum Thema New Work noch nicht einmal ein Kratzen an der Oberfläche ist. New Work beginnt bei jedem Einzelnen, mit der Arbeit an unserer Persönlichkeit und dem Sich-Selbst-Fragen-stellen. Erst, wenn Eigenverantwortung und Freiheit wieder Prinzipien sind, denen jeder Einzelne als auch die Organisation folgt, wenn Fehler machen ausdrücklich erlaubt ist und Kommunikation das wichtigste Tool, dann kann New Work beginnen.

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